Das Edelweiss

Als Gott die Erde erschuf, bedeckte er sie mit Blumen und Pflanzen.
Er schuf Blumen in allen Farben und Düften, Pflanzen mit Früchten jeden Geschmacks und Kräuter mit fabelhaften Eigenschaften und verteilte sie über sein gesamtes Reich. Wiesen und Hügel wurden zu wunderbaren bunten Teppichen und zu üppigen Wäldern voller Leben.
 

Nur die hohen felsigen Gipfel der Alpen waren noch kahl und trostlos. Keine Blume konnte in so großer Höhenlage auf kalten Fels wachsen. Deshalb waren die Berge sehr betrübt und baten den Himmel um Hilfe. In einer Vollmondnacht trafen die Engel die Sterne, die die Dunkelheit erhellten und streuten sie auf die Felsen und in die Felsspalten
Die beglückten Berge hüllten das Geschenk der Engel in einen weichen Flaum zum Schutz vor Kälte ein und fügten hie und da Erdschollen hinzu, um es den zarten Wurzeln zu ermöglichen, sich festzusetzen. Der Mond sah vom Himmel aus das Funkeln der Sterne inmitten der Berge, war davon verzaubert und sendete den Blumen sein reines weißes Licht.
Bei Sonnenaufgang blühten und erstrahlten die Berge endlich voller Freude: die ersten Edelweiße waren erschaffen.

Die Bleichen Berge

Es war einmal ein Königssohn, dessen Reich im östlichen Alpenlande lag.
 
Das Land war reich an saftigem Weidenland, satt grünen Wäldern, kristallklaren Bergseen und majestätischen Bergen. Der Königssohn war jedoch unglücklich, denn ihn quälte ein sehnlicher Wunsch: Er wollte den Mond besuchen. Eines Tages hatte sich der Prinz im Walde verirrt. Als es Abend wurde, legte er sich in einer mit blühenden Alpenrosen bewachsenen Hochebene im Rasen nieder, und sprach im Traum mit der wunderschönen Tochter des Mondkönigs.
 
Als er erwachte hörte er vom höchsten Felsturm herab, der in eine dichte weiße Wolke gehüllt war, zwei alte Männer sprechen, die sich überraschenderweise als Mondbewohner erwiesen. Der Prinz erzählte ihnen von seinem brennenden Wunsch und so nahmen sie den Königssohn mit auf den Mond, wo er die Mondprinzessin heiratete, die er im Traum erblickt hatte.
Der Königssohn weilte mit seiner Gemahlin lange Zeit glücklich auf dem Mond. Als er sich gezwungen sah, auf die Erde zurückzukehren, nahm er die schöne Mondprinzessin mit. Die beiden liebten sich über alles, doch dann erkrankte sie an Sehnsucht, schwebte in Lebensgefahr und musste wieder in ihre weiße Mondlandschaft zurückkehren. Der Königssohn zog sich in seiner Verzweiflung in eine Grotte zurück, wo ihm der König der Salvans begegnete, ein weises Zwergenvolk, das die Geheimnisse der Natur kannte und liebevoll beschützte. Und so kam es, dass sie einen Pakt schlossen: Der Prinz versprach den Salvans Schutz und ewigen Aufenthalt in den Bergen und Wäldern der Region, wenn sie die Felsen mit einem weißen Mondkleid beziehen würden. 
 
Und so geschah es. Die Salvans spannen die Strahlen des Mondes, webten diese zu einem engmaschigen Netz aus Licht und Silberfäden zusammen und überzogen damit die Felsen. Nun konnte der Königssohn seine Gemahlin auf die Erde zurückholen und mit der Rückkehr der Mondprinzessin kehrte auch das Glück wieder in das Reich der Bleichen Berge ein, die heute Dolomiten heißen und deren Höhlen und Wälder noch heute von den Salvans bevölkert sind.
 
Frei von "I Monti Pallidi" von Carlo Felice Wolf inspiriert.

Enrosadira

Bei Sonnenuntergang schmücken sich die Dolomitengipfel mit einem faszinierenden rosafarbenen Gewand. Dieses Naturschauspiel, das auf deren besondere Felsbeschaffenheit zurückzuführen ist, heißt “Enrosadira”, das wörtlich übersetzt “sich rosafärbend” bedeutet und im Deutschen auch als Alpenglühen bezeichnet wird.
 
Doch eine alte Legende erzählt von dem magischen Zwergenvolk, regiert von König. Er hatte einen wunderschönen Rosengarten und eine wunderschöne Tochter namens Ladina. Eines Tages kam Prinz Latemar am Rosengarten vorbei und wunderte sich über die wunderschönen Rosen, die in einem solch steilen, wilden und rauen Gebiet so üppig blühten. Neugierig geworden, drang er in das Reich der Zwerge ein, erblickte die schöne Königstochter Ladina, verliebte sich sofort und nahm sie mit in sein Reich, um sie zu heiraten.
Als König Laurin erfuhr, dass ihm die Tochter geraubt wurde, verwünschte er die Rosen, die dem Prinzen Latemar die Lage seines Reichs verraten hatten. Sie sollten nicht mehr blühen, weder bei Tag noch bei Nacht.
 
An die Dämmerung und Morgengrauen hatte er jedoch nicht gedacht. Seitdem zeigen sich die Rosen am Morgen und am Abend, wenn die Felsen in rotes Licht getaucht werden.